(Please click here for an English version of my vita)

Im August / September 1998 wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert, nachdem ich aufgrund von Doppelbildern stationär im Essener Klinikum behandelt worden war (dort hatte ich eine hoch dosierte Pulstherapie über 3 Tage erhalten, die ich gut verkraftete). – Im Jahr 2000 dann bekam ich aufgrund eines neuen Schubes (Lhermitte-Zeichen und teilweiser Verlust der Sprachfähigkeit) von meinem Hausarzt eine hoch dosierte orale Prednison-Therapie (mit „Ausschleichen“ und den damit verbundenen Nebenwirkungen) verordnet, verbunden mit der Empfehlung, mich in die Behandlung bei einem Neurologen zu begeben.

Ich begab mich jedoch nicht in die Behandlung bei einem Neurologen, sondern ging zu einer alten Heilpraktikerin, die sich auf die Behandlung von MS spezialisiert hatte. – Um es kurz zu machen: Diese Frau setzte neben diversen „naturheilkundlichen“ (Ich hasse diesen Begriff!) Arzneimitteln auch niedrig dosiertes Prednison (täglich) ein sowie niedrig dosiertes Dexamethason (bei Schüben). – Wenn Sie sich jetzt fragen, wie die alte Schachtel an die großen Mengen verschreibungspflichtiger Medikamente kam: Die Frau hatte einen Neurologen bestochen...

Im Laufe der Zeit stabilisierte bzw. verbesserte sich mein Zustand ohne, dass weitere Schäden auftraten, und mir wurde bewusst, dass ich das Wissen der alten Frau für die Zukunft brauchen würde, denn niemand lebt ewig.

Seit August 2010 hospitierte ich in ihrer Praxis, und zog im März 2011 eine erste Bilanz, nachdem ich ca. 100 weitere Patienten kennengelernt hatte. Fazit:

a) Ungefähr 50 % der MS-Kranken führten zeitgleich eine Therapie mit Beta-Interferonen oder Glatirameracetat durch.
b) Bei allen Patienten war der Krankheitsfortschritt zum Stillstand gekommen (unabhängig von der Durchführung einer Basistherapie); gleichgültig in welchem Stadium sie sich ursprünglich befunden hatten! – Prinzipiell ging es den MS-Kranken, die keine herkömmliche Basistherapie durchführten, sogar besser (einschließlich meiner Person), weil sie bzw. wir nicht unter Nebenwirkungen zu leiden hatten.

Ab Mitte 2012 wurde mir dann langsam klar, dass der ‚Naturheilkundekram‘ nahezu völlig nebensächlich war (man kann damit zwar erstaunliche Regenerationsprozesse in Gang setzen, aber nicht die MS selbst zum Stillstand bringen). Im April 2013 verließ ich dann die HP-Praxis aufgrund unüberbrückbarer zwischenmenschlicher Differenzen zwischen mir und der alten Frau, und setzte meine Cortison-Therapie in Eigenregie fort (ich habe niemanden bestochen, sondern einem befreundeten Arzt den Sachverhalt erklärt):

1) 1,25 mg bis 2,5 mg Prednison täglich.

2) 8 mg Dexamethason pro Tag über 3 Tage als Notfallreserve im Falle eines Schubes.

Nach meinem Ausscheiden aus der HP-Praxis wollte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse anderen MS-Kranken zur Verfügung stellen. Ich wusste jedoch, dass die Erteilung von Therapieempfehlungen für Nichtmediziner strafbar ist; hinzu kam, dass ich keine einzige Behauptung beweisen konnte / kann. Außerdem wimmelt das Netz von alternativen Therapieempfehlungen, und auf den ersten Blick ist das, was ich zu sagen habe, auch nicht gewichtiger als die Aussagen der Heerscharen selbst ernannter Heiler. – Ich beschloss daher, meine Erkenntnisse in einem historischen Essay ‚zu verstecken‘, indem ich historische Entwicklungen nachzeichnete, Forschungsstereotype angriff und logische Widersprüche aufdeckte.

@Entdeckungsgeschichte der Glukokortikoidtherapie: Der Heilpraktikerin hatte sich Anfang der 1990er Jahre in Folge einer Fortbildung in Homöopathie die Frage gestellt, ob Arzneimittel nicht generell überdosiert seien; auch deshalb, weil sie wusste, dass Cortison bis Ende der 1980er Jahre im Rahmen der MS-Therapie wesentlich niedriger dosiert worden war. – Sie experimentierte zunächst im Selbstversuch mit einem Muskelrelaxans. Sie nahm ein Viertel der empfohlenen Dosis ein und schaltete sich damit praktisch für anderthalb Tage aus. – ‚Glücklicherweise‘ litt die Frau schwer an PCP; während eines Schubes nahm sie einmalig 5 mg Prednison ein, und beobachtete, wie sich alle Symptome innerhalb von 24 Stunden zurückbildeten. – Sie übertrug diese Erkenntnis geradewegs auf ihre MS-Patienten, und fand durch weitere praktische Versuche heraus, dass mit 1,25 mg bis 2,5 mg Prednison pro Tag eine langfristige Stabilisierung des Gesundheitszustandes der MS-Kranken erzielt werden konnte (ohne Nebenwirkungen). – Die Frau hatte in ihrer HP-Ausbildung gelernt, dass es bei schwangeren MS-Kranken zu Remissionen kommt, aber erst sehr viel später erfuhr sie, dass tatsächlich der Cortisolspiegel bei Schwangeren erhöht ist (ich persönlich frage mich bis heute, woher), und zog den (brillanten) dialektischen Schluss daraus, dass dies die gemeinsame Ursache für die Wirksamkeit der Cortison-Kleinstdosen und den Remissionen bei schwangeren Frauen sein musste!

Im Zuge der Recherchen zu meinem Essay stellte ich überrascht fest, dass die Beobachtung von Remissionen bei schwangeren Rheumapatientinnen mit zur Genese der Glukokortikoidtherapie gehört. Faktisch hatte die alte Frau also den gleichen Erkenntnisprozess durchlaufen wie Philip Showalter Hench, nur halt spiegelverkehrt!!!

@Nebenwirkungen: In der gesamten Zeit seit 1998 habe ich zweimal durch Cortison bedingte Nebenwirkungen erlebt:
1) Bei der von meinem Hausarzt verordneten Hochdosistherapie im Jahr 2000 (Da hätte ich die Tapete mit den Fingernägeln von der Wand kratzen können!).
2) Von Mitte März bis April 2014: Ich entwickelte ab Mitte März 2014 eine Dauererkältung und nach 2 Wochen dämmerte es mir, dass das niedrig dosierte Prednison daran Schuld war. – In banger Erwartung der weiteren Entwicklung der MS setzte ich das Cortison daraufhin ab, die Erkältung legte sich, aber ansonsten passierte NICHTS! – Die MS war „ausgebrannt“[1] (ich habe Wolfgang Weihes Buch entnommen, dass er dieses Phänomen schon öfters beobachtet hat); sie verschwand genauso plötzlich aus meinem Leben, wie sie aufgetaucht war!

@Autoimmunhypothese der MS: Wenn Sie mein Essay gründlich lesen, werden Sie feststellen, dass ich nicht die Autoimmunhypothese als solches negiere, sondern die T-Lymphozytenhypothese und das Tiermodell als solches. – Warum? – Antwort:
1) Ich lernte während der Hospitation eine MS-Patientin kennen, die zwar Natalizumab infundiert bekam, und bei der man in Folge dessen Antikörper gegen das JC-Virus nachweisen konnte, doch trotzdem gingen die Schübe weiter (die mit Cortison behandelt wurden). Außerdem lernte ich einen weiteren MS-Kranken (bzw. das, was noch von ihm übrig war) kennen, bei dem nach Verabreichung von Natalizumab bereits die PML ausgebrochen war. – Beide Fälle verbuchte ich damals unter der Kategorie ‚Nebenwirkungen‘. – Nach der Lektüre von Weihes Buch (Ende 2014) wurde mir schlagartig klar, dass das in beiden Fällen keine Nebenwirkungen waren, sondern die Hauptwirkung; das Arzneimittel tat genau das, was es nun mal tun soll: Es stellte die T-Lymphozyten kalt. – Wie aber kann es sein, dass ein MS-Patient ohne T-Lymphozyten MS-Schübe hat?!      
2) Andererseits stand die Dauererkältung am Ende ‚meiner‘ MS dieser Erkenntnis entgegen. – Ich hatte fast 14 Jahre Prednison in kleinsten und kleinen Dosen zu mir genommen, ohne dass irgendetwas Derartiges passiert ist. – Meine Beobachtung war also in völliger Übereinstimmung mit der gängigen Autoimmunhypothese. – Durch Weihes Buch wurde mir jedoch klar, dass Ätiologie und Pathogenese der MS nicht beobachtbar sind; nahezu das gesamte vermeintliche Wissen über die Pathogenese der MS stammt aus der histologischen Untersuchung von ‚kleingeschnippelten‘ Mäuse- und Rattengehirnen. Das gilt natürlich auch für den Wirkungszusammenhang von Cortison und Multipler Sklerose!!! – Übrigens ‚säuberte‘ ich kurzerhand bei der Überarbeitung mein Essay von dem ganzen Pseudowissen über die Wirkung von Cortison auf autoaggressive T-Lymphozyten; dass dabei auch Informationen, wie z. B. zur abschwellenden Wirkung von Cortison, mit über die Klinge sprangen, tut meiner Geschichte an sich keinen Abbruch (wie ich finde)!

Fazit: Aufgrund meiner konkreten persönlichen Erfahrung behaupte ich, dass die Kenntnis um die Pathogenese der MS unwichtig ist für deren Therapie; es gibt schlicht und einfach eine naturgegebene Grenze der Beobachtbarkeit, die nicht überschritten werden kann!Wir befinden uns etwa in der gleichen Beobachterposition, in der sich Hench damals befand: Bei schwangeren MS-Patientinnen kommt es systematisch zu Remissionen, und das hat etwas mit der erhöhten körpereigenen Cortisolproduktion zu tun PUNKT – Übrigens wurden in der Zeit meiner Hospitation in der HP-Praxis zwei Patientinnen schwanger: Sie setzten zu Beginn der Schwangerschaft die Kleinstdosen ab und nahmen nach der Geburt der Kinder die Therapie einfach wieder auf...

 

Einzelnachweise:

[1] Weihe, Wolfgang: Multiple Sklerose – eine Einführung, 5. Auflage, Bad Zwesten 2010, S. 126 bis 127.


Autor: Christian Brandau – Der Text ist unter der Lizenz „Attribution-NoDerivatives 4.0 International (CC BY-ND 4.0)“ verfügbar
 

 

Ich möchte Sie lieber Leser / liebe Leserin dazu ermutigen bei Verständnisfragen, aber auch für Kritik und Anregungen Kontakt zu mir aufzunehmen! – Hier meine E-Mail-Adresse:

 

--

"[...], here's my
standing on "keeping control", in 2 words (three?):

I won't."

Linus Benedict Torvalds (06.02.92)